Die meisten Probleme bei der Verkäuflichkeit vom eigenen Bestand sind lösbar – vorausgesetzt, du fängst rechtzeitig an und gehst systematisch vor. Der Schlüssel liegt darin, drei Schritte konsequent zu durchlaufen.
Schritt 1: Das Universum des Übertragbaren erfassen
Der erste und vielleicht wichtigste Schritt: Hör auf, nur an deinen Kundenbestand zu denken. Das ist ein Mindset-Shift, den viele Makler nie vollziehen – und deshalb Vermögen verschenken. Die Frage ist nicht nur „Wie viele Verträge habe ich?“, sondern: „Was habe ich WIRKLICH aufgebaut?“
Marktzugänge: Welche Steuerberater empfehlen dich regelmäßig? Welche Unternehmensnetzwerke hast du aufgebaut? In welchen Organisationen und Vereinen bist du etabliert und anerkannt? Welche Kooperationen bestehen? Wo hast du exklusiven oder bevorzugten Zugang? DAS ist oft das eigentliche Vermögen: nicht die 800 Bestandsverträge, sondern der Zugang zu 200 qualifizierten Empfehlungen pro Jahr.
Geschäftsmodelle und Prozesse:
- Welche besonderen Beratungsprozesse hast du über Jahre entwickelt?
- Welche Automatisierungen? Welche systematischen Ansätze funktionieren nachweislich?
- Aber Achtung: Diese müssen übertragbar sein.
Ein persönliches Excel-Tool, das nur du verstehst, ist kein Wert. Es ist ein Wissenssilo und erschwert die Übertragung. Die Frage ist also: Wie machst du deine Prozesse und Tools so dokumentiert und standardisiert, dass ein Nachfolger sie übernehmen kann?
Nischen-Expertise: Wo bist du Spezialist? Ärzte? Bauträger? Handwerker? Gastronomen? Dieses aufgebaute Know-how plus die Reputation in der Zielgruppe ist hochgradig wertvoll – wenn du es strukturiert weitergeben kannst.
Schritt 2: Realistische Bestandsaufnahme
Die Bestandsaufnahme muss zwei Dimensionen haben:
- Die wirtschaftliche Dimension: In welcher Kategorie befindest du dich? Kategorie 1 (unverkäuflich), Kategorie 2 (frustrierende Preise) oder Kategorie 3 (übersehenes Vermögen)?
- Die rechtliche Dimension – und die ist kritisch:
Rechtsform prüfen: Ist deine aktuelle Rechtsform überhaupt geeignet für eine Übertragung? Einzelunternehmen mit aktuellen Maklerverträgen? Grundsätzlich möglich, aber DSGVO-Themen beachten. Kleine GmbH mit geringem Umsatz? Faktisch kaum verkäuflich. Hier musst du möglicherweise über Alternativen nachdenken.
Vergütungsansprüche prüfen: BEVOR du mit Interessenten konkret wirst – und das kann nicht oft genug betont werden: Lass prüfen, ob deine Vergütungsansprüche wirklich übertragbar sind. Poolverträge durchgehen. Rahmenvereinbarungen mit Versicherern analysieren. Sonderkonditionen abklären. Notfalls mit Fachanwalt. Die paar hundert Euro Beratungskosten sind nichts gegen das Desaster, wenn nach der Übertragung keine Courtage beim Käufer ankommt.
Maklerverträge und Vollmachten: Sind die Maklerverträge mit deinen Kunden aktuell? Sind die Maklervollmachten eindeutig? Gibt es Datenschutzvereinbarungen nach DSGVO? Bei Altbeständen häufig ein Riesenproblem. Wenn du keine wirksamen Einwilligungen zur Datenübertragung hast, wird’s schwierig.
Gesellschaftsverträge bei Personengesellschaften oder GmbHs: Gibt es Vinkulierungsklauseln? Zustimmungsvorbehalte? Vorkaufsrechte anderer Gesellschafter? All das kann eine Übertragung blockieren oder zumindest massiv verkomplizieren.
Externe Beratung: Hol dir einen Blick von außen – jemand ohne Eigeninteressen. Der sieht sowohl Potenziale als auch rechtliche und wirtschaftliche Probleme, die du selbst übersiehst.
Schritt 3: Strategie entwickeln
Nach der Bestandsaufnahme weißt du, wo die Hebel liegen. Jetzt geht es darum, die richtigen Maßnahmen in der richtigen Reihenfolge anzugehen. Und das braucht vor allem eines: ausreichend Vorlauf.
Der Zeitbedarf hängt von deiner Situation ab: Musst du die Rechtsform wechseln? Dann reden wir über mehrere Jahre. Eine Umwandlung hat erhebliche steuerliche und rechtliche Konsequenzen, die sorgfältig geplant werden müssen. Ist deine Rechtsform grundsätzlich passend, aber die Dokumentation miserabel? Dann kannst du das in einem Jahr schaffen – wenn du konsequent dranbleibst.
Müssen Maklerverträge mit Kunden nachgeholt werden? Das kann Monate oder Jahre dauern, je nachdem, wie viele Kunden betroffen sind und wie kooperativ diese sind. Der Grundsatz lautet: Je früher du anfängst, desto mehr Optionen hast du. Wer erst sechs Monate vor der geplanten Übergabe anfängt, kann bestenfalls noch Kosmetik betreiben.
Schritt 3: Die Strategie richtet sich nach dem größten Hebel
Wenn Vergütungsansprüche nicht übertragbar sind (personengebundene Poolverträge, Sonderkonditionen):
Das ist ein massives Problem. Diese Vereinbarungen neu zu verhandeln ist unrealistisch – die Versicherer und Pools haben kein Interesse daran.
Mögliche Lösungen:
- Verkauf des Handelsgeschäfts als Ganzes: Wenn du als eingetragener Kaufmann oder eingetragene Kauffrau firmierst, kannst du das gesamte Handelsgeschäft übertragen. Dabei gehen auch die Vergütungsansprüche über, soweit sie zum Geschäftsbetrieb gehören. Allerdings: Nicht alle Juristen sehen diesen Weg als rechtlich unproblematisch an – lass dich hierzu fachkundig beraten.
- Umwandlung in eine Maklergesellschaft: Die Umwandlung selbst (in GmbH, UG, GmbH & Co. KG etc.) geht relativ schnell. Aber: Die steuerlichen und rechtlichen Konsequenzen sind nicht unerheblich und erschweren und verteuern die Veräußerung gerade in den ersten Jahren nach der Umwandlung erheblich.
Wenn die Maklerverträge mit den Kunden das Problem sind (fehlende oder veraltete Verträge, keine DSGVO-Einwilligungen): Maklerverträge aktualisieren und Einwilligungen nachholen: Das kann realistisch sein, wenn du gute Kundenbeziehungen hast. Rechne aber mit erheblichem Zeitaufwand – bei 500 Kunden und realistischen 20 Nachholungen pro Monat sind das zwei Jahre.
Alternativ: Rechtsformwechsel zur Übertragung als Ganzes
Sowohl beim Verkauf des Handelsgeschäfts (als e.K.) als auch bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen (nach Umwandlung in GmbH etc.) sind keine einzelnen Kundenzustimmungen erforderlich. Nachteil: Die bereits genannten rechtlichen Unsicherheiten beim Handelsgeschäft bzw. die steuerlichen Belastungen bei der Gesellschaftsumwandlung (plus bei kleinen Gesellschaften die faktische Unverkäuflichkeit).
Du musst also abwägen: Ist es erfolgversprechender, die Maklerverträge zu aktualisieren und Unterschriften einzuholen? Oder lohnt sich trotz der Nachteile ein Rechtsformwechsel?
Wenn Dokumentation und Prozesse das Problem sind:
Dann ist das deine Baustelle. Systematisch aufarbeiten. Maklerverwaltungsprogramm konsequent nutzen. Beratungsdokumentationen nacharbeiten, wo möglich. Prozesse so dokumentieren, dass ein Nachfolger sie versteht. Das ist machbar in einem überschaubaren Zeitraum – wenn du diszipliniert dranbleibst.
Wenn du übersehene Vermögenswerte hast:
Dann geht es darum, diese sichtbar und übertragbar zu machen. Marktzugänge formalisieren durch schriftliche Kooperationsvereinbarungen. Empfehlungsbeziehungen zu Steuerberatern, Organisationen oder Vereinen vertraglich absichern. Nischen-Know-how aufbereiten in Form von Checklisten, Prozessbeschreibungen, dokumentierten Best Practices.
Die Strategie muss individuell sein. Es gibt keine Standardlösung für alle. Was du brauchst, hängt davon ab, wo bei dir der größte Hebel liegt. Deshalb: Lass dich professionell beraten, bevor du loslegst.
Zum nächsten Teil dieser Reihe: Warum fast jeder Bestand verkäuflich ist
Titelbild: © Andreas Grimm