Von der Spezialisierung zur Kooperation: ein Blick auf Megatrends und kulturelle Transformation einer bewegten Branche.
Da geht ganz schön was ab, könnte man flapsig sagen: Der deutsche Maklermarkt steckt mitten in der größten Transformation seit Jahrzehnten. Während die Schlagzeilen oft von milliardenschweren Übernahmen und internationalen Investoren dominiert werden, vollzieht sich - eher im Stillen - eine durchaus faszinierendere Revolution: Kleine und mittelständische Maklerhäuser entdecken völlig neue Wege zum Erfolg. Sie spezialisieren sich, sie kooperieren und digitalisieren rasch und kreativ. Das Ellenbogen-Mindset früherer Jahre und Jahrzehnte scheint Geschichte. Wir wagen eine kleine Bestandsaufnahme. Und ein paar Prognosen.
Das Ende der Bauchladen-Ära
Fast vorbei sind die Zeiten, in denen Versicherungsmakler alles für jeden waren. In einer zunehmend komplexen Finanzwelt wird Spezialisierung zum entscheidenden Faktor. Während große Industriemakler ihre Marktmacht ausspielen, setzen kleinere Häuser auf Expertenwissen in Nischenbereichen.
Die Bandbreite ist beeindruckend: Da gibt es solche, die sich ausschließlich auf die 53 Meisterberufe in Deutschland fokussieren und Handwerkern maßgeschneiderte Lösungen anbieten. Andere haben sich auf die Absicherung von Polizisten, wieder andere von Profisportlern und die Nächsten von Bergsteigern spezialisiert. Oder sie bauen ihre gesamte Expertise um biometrische Risikoprüfungen auf. Was auf den ersten Blick wie eine Limitierung aussieht, erweist sich vielmehr als fokussierender Befreiungsschlag.
Spezialisierte Makler können individuellen und spezifischen Versicherungsschutz anbieten, eigene Deckungskonzepte entwickeln, zeitraubende Spezialistentätigkeiten effizienter bewältigen und durch ihr Expertenwissen höhere Margen erzielen. Sie werden zu gefragten Partnern. Zu Beratern und Vertrauten statt Verkäufern. Weil sie Probleme lösen, die Generalisten oft nur oberflächlich behandeln können.
Das Ärztehaus-Prinzip erobert den Maklermarkt
Eine der spannendsten Entwicklungen ist die neue Kultur der Zusammenarbeit. Aus dem harschen Wettbewerb der 90er und 2000er ist ein Wettbewerb der Kooperativen geworden. Makler, die traditionell eher Einzelkämpfer waren, entdecken die Macht der Zusammenarbeit. Das sogenannte "Ärztehaus-Prinzip" macht Schule: Makler holen sich über strategische Partnerschaften Experten für spezielle Bereiche ins eigene Unternehmen - oder organisieren sich physisch und digital im Netzwerk.
Diese Kooperationen bieten gleich mehrere Vorteile: Die Kundenberatung wird im Expertenkontext verbessert, Cross-Selling-Potenziale werden erschlossen, und gemeinsame Marketinginitiativen reduzieren die Kosten für alle Beteiligten. Das Ergebnis ist eine Win-Win-Situation, die zu ganzheitlicher Kundenbetreuung, höherer Effizienz und besserer Servicequalität führt.
Besonders interessant sind die neuen Partnerschaftsmodelle und die mittelständische Konsolidierung größerer Maklergruppen. Die Helmsauer Gruppe beispielsweise hat seit 2017 bereits 30 Unternehmen übernommen und erfolgreich integriert. Solche Partnerschaften bieten kleineren Häusern Zugang zu innovativen Versicherungslösungen, stärken ihre Marktpräsenz und eröffnen neue Zukunftsperspektiven, ohne dass sie ihre Identität völlig aufgeben müssen.
Maklerpools: Das große Rennen um die Claims
Ein Thema für sich, das mehr als nur eine Randnotiz verdient: Der Poolmarkt ist mächtig in Bewegung. Getrieben von erheblichen Private Equity-Investitionen bei großen Pools, ist der Wettbewerb in eine ganz neue, hoch aggressive Phase eingetreten. Fonds Finanz und blau direkt dominieren augenscheinlich den Maklermarkt, wobei die Fonds Finanz mit rund 31.000 Vertriebspartnern und einem Umsatzerlös 2023 von 292,4 Mio. Euro regelmäßig die Hitliste anführt. Zugleich sind ihnen erfolgreiche Häuser wie Jung, DMS & Cie., Netfonds und BCA oder die genossenschaftlich agierende VEMA auf den Fersen. Kleinere und spezialisierte Unternehmen komplettieren den immer noch pluralen Markt. Der "Durchschnittsmakler", sofern es den überhaupt noch gibt, unterhält aktuell rund zwei bis 2,5 Poolanbindungen.
Wer vereint wie viele und - oft noch wichtiger - welche Maklerhäuser unter dem eigenen (oder mittlerweile oft nicht mehr ganz so eigenen) Dach? Wer macht das Rennen um die beste Infrastruktur, den stärksten Service, die überzeugendste Community? Die Frage ist berechtigt, ob diese Entwicklungen dem Maklermarkt guttun oder nicht. Ob sie sinnvoll für die Verbraucher sind, oder eher ein Problem darstellen. Versicherer wie Verbraucherschützer blicken mit einer gewissen Sorge auf die Trends. Gewiss ein Stück weit zurecht.
Ein gutes Zeichen ist es dennoch, wenn große, internationale Investoren so massiv in den deutschen Beratermarkt einsteigen. Und ein fast noch besseres Zeichen ist es, wenn wiederum andere Pools auf eigenes Kapital und eigene Stärken setzen und offenbar auch am Ball bleiben können. Auch hier sind Assets wie Spezialisierung, ein Fokus auf guten Service und die Pflege der eigenen Community maßgebliche Erfolgstreiber. Und wenn man das alles (als Makler) lieber gar nicht will: Es gibt ja immer noch die Direktanbindung. Gerade im Kontext von Spezialisierung.
Alt, älter, Exit: Der demografische Tsunami
Die wohl größte Herausforderung für den Maklermarkt ist das Altern. Fast drei Viertel der Versicherungsmakler sind zwischen 55 und 70 Jahre alt. Studien prognostizieren, dass bis 2030 rund 40 Prozent der derzeit aktiven Makler in den Ruhestand gehen werden. Immer weniger Beraterinnen und Berater betreuen immer mehr Kunden. Die Zahl der unbetreuten Bestände wächst auch in diesem Vertriebsweg.
Paradoxerweise wird dieser demografische Wandel die Nachfrage nach Versicherungsleistungen massiv steigern. Die Prämieneinnahmen dürften nach aktuellen Prognosen bis 2040 allein wegen des demografischen Effekts um real zehn Prozent auf 140 Milliarden Euro zulegen. Besonders Kranken- und Pflegeversicherungen werden von einem Beitragswachstum von fast 60 Prozent profitieren, sagen Studien.
Hier liegt eine riesige Chance für junge, technologieaffine Makler, die den Markt mit frischen Ideen erobern können. Das Problem dabei: Die Branche kämpft mit einem enormen Recruiting- und Imageproblem bei der Gewinnung junger Talente. Es bleibt abzuwarten, ob die Branche dieses Problem inhaltlich löst - oder vielleicht auch durch Automatisierung. Und damit sind wir schon beim nächsten Megatrend:
Digitalisierung: Vom Nachzügler zum Vorreiter
Die digitale Transformation hat den Maklermarkt maximal im Griff, wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Bereits 40 Prozent der befragten Makler betrachten sich in einer aktuellen Studie als Player des digitalen Mittelfelds, 31 Prozent beschreiben ihre digitale Expertise als fortgeschritten. Indes gestehen 17 Prozent ein, dass sie noch Anfänger seien, und fünf Prozent bezeichnen sich als digitale Nachzügler.
Künstliche Intelligenz eröffnet dabei völlig neue Möglichkeiten: die Analyse großer Datenmengen und Mustererkennung, die Ermittlung von Kundenpräferenzen, die Identifikation von Cross-Selling-Potenzialen, KI-basierte Chatbots für die Kundenkommunikation und die Automatisierung von Routineaufgaben. Die meisten Makler sehen KI als Chance, ihre Effizienz zu steigern und ihren Kunden eine bessere Betreuung zu bieten.
Die zentralen Technologietrends für 2025 und die Folgejahre umfassen neben KI auch digitale Ökosysteme und Omnikanal-Fähigkeiten, datengetriebene Versicherungsmodelle, Cybersecurity-Lösungen und präventionsgetriebene Ansätze.
Konsolidierung: Der große Ausverkauf?
Die Zahlen sind mehr als beeindruckend: Schon 2023 verging kein Monat ohne die Übernahme eines Maklerhauses durch eine der großen Gruppen wie GGW, MRH Trowe, Global, Summitas oder die Helmsauer Gruppe. Die Schlagzahl hat sich 2024 noch einmal erhöht. Inzwischen greifen die „Konsolidierer" fast wöchentlich zu. Mit 106 angekündigten Transaktionen, gegenüber 81 im Jahr 2023, setzte sich die Konsolidierungswelle im Jahr 2024 weiter fort.
Während bis 2017 nur eine einstellige Zahl von Maklerfirmen pro Jahr aufgekauft wurde, stieg die Zahl der Transaktionen über 15 (2019), 21 (2020), 39 (2021) und 53 (2022) auf 90 Maklerunternehmen (2023). Ralph Rockel von MRH Trowe prognostizierte, dass das Transaktionsvolumen 2024 auf 120 und mehr Firmen steigen wird - und scheint damit richtig gelegen zu haben.
Besonders bemerkenswert ist das Engagement internationaler Private-Equity-Investoren, die deutsche Gewerbe- und Industriemakler zunehmend interessant finden. Namen wie Anacap Financial Partners bei MRH Trowe, Bain Capital bei der Summitas-Gruppe oder HG Capital und Permira bei der GGW-Gruppe sprechen eine deutliche Sprache. Ähnlich zu bewerten sind die Engagements bei großen Maklerpools.
Kritische Schätzungen gehen davon aus, dass von den aktuell etwa 46.000 Maklerhäusern und Einzelmaklern mittelfristig wohl nur noch 5.000 bis 10.000 weiter existieren werden - eine Prognose, die nachdenklich stimmen sollte. Die Haupttreiber sind der Zugang zu erfolgskritischem Personal, bessere Verhandlungspositionen gegenüber Versicherern, die Regelung der Unternehmensnachfolge und der Zugang zu technologischem Know-how und Innovationskraft.
Regulatorik: Der Papiertiger wird zur Mammutaufgabe
Neben den technischen und personellen steigen auch die regulatorischen Anforderungen kontinuierlich. Für 2025 stehen weitere Herausforderungen auf der ToDo-Liste: die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der Digital Operational Resilience Act (DORA), der EU Artificial Intelligence Act und verschärfte Cybersecurity-Anforderungen.
Diese wachsenden staatlichen und überstaatlichen Anforderungen führen zu höherem Verwaltungsaufwand, steigenden Compliance-Kosten und der Notwendigkeit spezialisierter Expertise. Für kleinere Makler wird dies zu einem echten Druck zur Professionalisierung. Oder eben zur Kooperation mit Partnern, die diese Expertise mitbringen oder im Netzwerk bereitstellen.
Blick in die Kristallkugel: Der Maklermarkt 2030
Wir sehen: Die Zeitenwende im Maklermarkt ist im vollen Gange. Themen wie Internationalisierung, demografischer Wandel, Klimawandel, Regulatorik, technischer Fortschritt (KI) und vor allem der Einstieg ausländischer Private Equity-Investoren verändern nachhaltig den Markt.
Studien prognostizieren radikale Veränderungen bis 2030: 62 Prozent der Experten erwarten eine Verdopplung rein digitaler Maklerunternehmen. 47,7 Prozent rechnen mit einer Reduktion der Makleranzahl. Und 47,4 Prozent sehen kleinere Maklerhäuser ohne Spezialisierung verschwinden.
Bis 2030 wird Konnektivität die Versicherungsbranche radikal prägen. Versicherungsprodukte werden nur noch auf Basis von Konnektivität, also digitaler Vernetzung, funktionieren. Erfolgreiche Makler der Zukunft werden sich durch intelligenten Einsatz digitaler Fähigkeiten, Kooperationen mit den richtigen Partnern, die Gewinnung neuer Talente und die aktive Gestaltung der Transformation auszeichnen.
Das Rezept für den Erfolg
Die Botschaft ist klar: Kleinere und mittelständische Makler haben durchaus eine Zukunft, wenn sie bereit sind, sich zu verändern - oder neu zu erfinden. Das Erfolgsrezept besteht aus mindestens fünf Zutaten:
- Digitalisierungsstrategie entwickeln und leben: Systematische Digitalisierung der Geschäftsprozesse und Kundeninteraktion
- Spezialisierung vorantreiben: Fokussierung auf profitable Nischen und Aufbau von Expertise
- Kooperationen eingehen: Strategische Partnerschaften zur Erweiterung des Leistungsspektrums
- Nachfolgeplanung angehen: Rechtzeitige Regelung der Unternehmensnachfolge angesichts demografischer Herausforderungen
- Regulatorik-Compliance sicherstellen: Proaktiver Umgang mit steigenden regulatorischen Anforderungen
Fazit: Da geht noch Einiges
Der deutsche Maklermarkt steckt in einem ebenso spannenden wie fundamentalen Wandel. Während die großen Player mit Kapital und Marktmacht operieren, entdecken kleinere Häuser ihre eigenen Stärken: Flexibilität, Spezialisierung und die Fähigkeit zur Kooperation. Sie beweisen, dass auch in einem konsolidierenden Markt Platz für innovative Geschäftsmodelle ist.
Die Herausforderungen sind real: demografischer Wandel, Digitalisierungsdruck, regulatorische Anforderungen und eine Konsolidierungswelle, die bisweilen fast tsunamihafte Züge annimmt. Doch wer bereit ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen und mutig neue Wege zu gehen, hat beste Chancen, auch in Zukunft erfolgreich zu sein.
Der Maklermarkt wird bunter, spezialisierter, jünger, kooperativer - und ja, auch ein bisschen fröhlicher. Eine gute Nachricht für alle, die Versicherungen nicht nur verkaufen, sondern Lösungen entwickeln wollen.
Der nächste Artikel dieser Reihe: Was ist und was will der Maklerblog?