Digitalisierung – kaum ein Begriff wird derzeit so häufig genutzt und gleichzeitig so unterschiedlich verstanden. In der Versicherungswelt ist das Wort in aller Munde: auf Branchenevents, in Werbebroschüren, auf Social Media. Doch was steckt tatsächlich dahinter? Bedeutet Digitalisierung etwa nur, dass Verträge nun per PDF versendet werden und nicht mehr als Brief? Oder dass Kunden elektronisch unterschreiben statt mit dem Kugelschreiber? Diese Vorstellung ist weit verbreitet – und dennoch grundlegend falsch.
In diesem Beitrag zeige ich dir, warum dieser oberflächliche Digitalisierungsbegriff dem eigentlichen Potenzial nicht gerecht wird. Wir werfen gemeinsam einen praxisnahen Blick darauf, wo unsere Branche aktuell steht, was echte Digitalisierung im Makleralltag leisten kann – und wie du sie gezielt nutzen kannst, um deinen Betrieb nicht nur effizienter, sondern zukunftsfähig zu machen. Du erfährst in diesem und den folgenden Beiträgen, wie du die Digitalisierung zu einem echten Mehrwert für dein Unternehmen einsetzen kannst.
Der Begriff "Digitalisierung" – zu oft verwendet, zu selten verstanden
Der Begriff „Digitalisierung“ wird fast schon reflexartig verwendet, sobald es um Veränderungen geht. Doch was bedeutet er wirklich?
Fragen wir doch mal kurz den Inbegriff von Digitalisierung “ChatGPT” was Digitalisierung bedeutet:
“Digitalisierung bedeutet, analoge Prozesse, Produkte oder Dienstleistungen mithilfe digitaler Technologien zu verbessern, zu ersetzen oder ganz neu zu gestalten. Einfach gesagt: Man wandelt etwas „Analoges“ in ein „Digitales“ um – also etwas, das früher auf Papier, per Telefon oder persönlich gemacht wurde, wird jetzt digital, automatisiert und oft online erledigt.”
Für viele heißt es lediglich: analoge Abläufe nun digital abbilden. Das Fax wird durch die E-Mail ersetzt, der Papierantrag durch das PDF. Aber das greift zu kurz. Echte Digitalisierung geht tiefer. Sie verändert nicht nur die Art, wie wir kommunizieren oder arbeiten – sie greift in Prozesse, Denkweisen und Geschäftsmodelle ein. Statt einen bestehenden Ablauf einfach zu digitalisieren, stellt sie die Frage: Muss dieser Ablauf überhaupt noch so existieren?
Ein digitales System, das z.B. Daten automatisch prüft, weiterleitet, dokumentiert und archiviert, nimmt dir nicht nur Arbeit ab – es schafft Raum für das, was dich als Makler auszeichnet: echte Beratung, Nähe zum Kunden und unternehmerische Freiheit.
Für mich bedeutet Digitalisierung: Prozesse erschaffen, die einen echten Mehrwert bringen.
Der digitale Rückstand der Branche – und was das für dich bedeutet
Schauen wir auf die Versicherungswelt, dann sehen wir: Es gibt große Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Trotz aller „Digitalisierungsprojekte“ wirken viele Maklerbetriebe noch wie aus der Zeit gefallen und so manches “Projekt” ist bereits bei großen Versicherern gescheitert. Noch immer werden Anträge manuell erfasst, statt per Schnittstelle zu übertragen. Schadenfälle, die sich regelmäßig wiederholen, werden händisch geprüft. Und selbst im Jahr 2025 sind Briefe, Papierordner und Drucker fester Bestandteil vieler Arbeitsplätze.
Die digitale Kundenkommunikation ist häufig nicht viel besser: Wichtige Dokumente erreichen den Kunden per Post – statt per Kunden-App oder geschütztem Download-Link. Status-Updates zu Anträgen erfolgen, wenn überhaupt, per Brief, obwohl automatisierte Nachrichten längst möglich wären.
Diese Lücken kosten nicht nur Zeit und Geld. Sie machen Maklerbüros verwundbar – gegenüber regulatorischem Druck, Fachkräftemangel und Kunden, die längst mehr erwarten. Doch nicht immer bist du der “Schuldige”. Durch die fast steinzeitartige Arbeitsweise mancher Versicherer hängen wir Makler ständig in Warteschleifen oder warten ewig auf Bearbeitungen oder Rückmeldung - das in einer Zeit, in der Schnelligkeit von unseren Kunden erwartet wird.
Was Digitalisierung wirklich bedeutet – und wie sie deinen Alltag revolutionieren kann
Digitalisierung ist weit mehr als etwas Technik. Sie ist ein strategischer Hebel. Richtig eingesetzt, verändert sie deine gesamte Arbeitsweise.
Beginnen wir bei der Vernetzung: Systeme wie MVPs, CRMs, Kundenportale und Versichererplattformen müssen nahtlos miteinander kommunizieren. Das spart doppelte Datenerfassung, verhindert Fehler und macht den Prozess für alle Beteiligten transparenter. Dank BiPRO-Standards und API-Schnittstellen ist das längst möglich – wird aber noch zu selten konsequent umgesetzt.
Automatisierung geht noch einen Schritt weiter: Geburtstagsgrüße, Erinnerungen an Jahresgespräche mit einem Fragebogen, der versendet wird oder Wiedervorlagen für Bestandskunden z.B. bei Beendigung des Studiums, aber auch Antragsnachverfolgung, Bearbeitungsstandmitteilungen und sogar das einholen von Bewertungen – alles lässt sich intelligent steuern und automatisieren. Was früher viel Disziplin, Wiedervorlagen und Zeit kostete, läuft heute im Hintergrund. Und du kannst dich voll auf die Beratung konzentrieren.
Datennutzung wird im digitalen Maklerbetrieb zum Erfolgsfaktor. Wenn du weißt, welche Kunden Lücken im Versicherungsschutz haben, welche Verträge demnächst auslaufen oder wer potenzielles Cross-Selling-Potenzial bietet, kannst du gezielt beraten – ohne Streuverlust.
Das beginnt bei ganz simplen Dingen wie:
- Jahresgespräche
- Adressänderungsmeldungen
- Namensänderungen
und geht weiter bei
- Studiumsende, welches vor 1-2 Jahren angesprochen wurde
- Das neugeborene Kind, das vor sechs Monaten angekündigt wurde
- Der Hausbau, der nach einem Jahr beendet wurde
- Statistiken zur Nutzung der bKV
- Auswertung von Schadenquoten und Ursachen bei Kfz-Flotten
Skalierbarkeit bedeutet, dass deine Prozesse auch dann stabil und effizient bleiben, wenn dein Bestand wächst. Ob du 100 oder 1.000 Kunden betreust – ein digitaler Prozess kostet nicht mehr Zeit. Das schafft echte wirtschaftliche Freiheit.
Das ermöglicht dir Wachstum, ohne auf kompetente Fachkräfte angewiesen zu sein - ja, ganz ohne Mitarbeiter geht’s auch nicht.
Die reale und digitale Weltverschmilzt zu einer hybriden Welt, was schließlich das Beste aus beiden Welten verbindet: Persönliche Betreuung bleibt bestehen, aber mit digitaler Unterstützung. Du bist flexibler, effizienter und erreichst Kunden dort, wo sie dich brauchen.
Die größten Hürden auf dem Weg – und wie du sie überwindest
Trotz aller Chancen bleibt der Einstieg in die Digitalisierung für viele Kollegen eine Herausforderung. Ein großes Hindernis ist der Wissensmangel: Viele Makler haben schlicht keine Zeit, sich tief in neue Systeme einzuarbeiten. Und das ist verständlich. Der Alltag mit unseren Kunden, den Versicherern und der Verwaltung fordert schon genug.
Hinzu kommt die Überforderung: Der Markt ist voll mit Tools, Abkürzungen und Versprechungen. CRM, DMS, BiPRO, OCR, MVP, KI – die Begriffswelt ist für viele ein Dschungel und das Angebot an “schnellen” Lösungen in Massen vorhanden.
Investitionen sind ein weiterer Faktor. Auch wenn viele digitale Lösungen heute kostengünstig oder sogar kostenlos sind, braucht es dennoch Geld für Schulungen, Einrichtung und Begleitung. Besonders kleine Betriebe zögern hier verständlicherweise.
Datenschutz und Rechtssicherheit spielen ebenfalls eine Rolle. Die DSGVO ist komplex, die Anforderungen an Dokumentation, vor allem in unserer Branche und Datenhaltung hoch. Doch: Mit seriösen Anbietern und klaren Prozessen lässt sich das problemlos meistern.
Und nicht zu vergessen: die emotionale Komponente. Die Angst, überflüssig zu werden, ist real – vor allem bei langjährigen Mitarbeitenden. Digitalisierung wird schnell als „Bedrohung“ wahrgenommen. Umso wichtiger ist es, früh und offen zu kommunizieren, Schulungen anzubieten und Erfolge gemeinsam zu feiern. Nur weil ein Arbeitsplatz überflüssig wird, heißt es nicht, dass der Mitarbeiter gehen muss.
Was du durch Digitalisierung gewinnst – ganz konkret
Digitalisierung bringt nicht nur Zeitersparnis. Sie verändert, wie du arbeitest, wie du wahrgenommen wirst und welche unternehmerische Freiheit du gewinnst.
Du arbeitest effizienter, weil du weniger manuell prüfen, eingeben oder nachtelefonieren musst. Dadurch, dass viele Abläufe standardisiert und automatisiert sind, reduzierst Du Fehlerquellen. Du sicherst dich besser rechtlich ab, weil moderne Tools DSGVO-konform arbeiten und automatisch dokumentieren.
Du gewinnst Ortsunabhängigkeit. Ob im Homeoffice, im Café oder unterwegs – deine Arbeit ist nicht mehr an Aktenordner oder einen physischen Schreibtisch gebunden. Gleichzeitig können Mitarbeiter von überall aus der Welt arbeiten und du hast ein von überall zugängliches, gesichertes System.
Du schaffst dir echte Skalierbarkeit. Mehr Kunden bedeuten nicht automatisch mehr Stress. Mit einem digitalisierten Betrieb wächst du, ohne dich zu überfordern. Oder andersrum - mit weniger Aufwand denselben Umsatz erwirtschaften und dadurch mehr Freizeit genießen.
Und du wirst als moderne Marke wahrgenommen. Kunden, die schnelle Antworten, Online-Zugänge und digitale Beratung gewohnt sind, erleben bei dir keine Reibungsverluste – sondern echten Service.
Der erste Schritt ist eine Entscheidung
Digitalisierung ist kein Selbstzweck und kein Modetrend. Sie ist der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit deines Betriebs. Doch der erste Schritt ist kein Tool – sondern deine Entscheidung. Willst du weiter arbeiten, wie in den letzten zehn Jahren? Oder willst du deinen Betrieb so aufstellen, dass du ihn mit weniger Aufwand, mehr Klarheit und besserem Service führen kannst?
Du musst nicht alles auf einmal umstellen. Aber du musst anfangen. Analysiere, wo in deinem Betrieb Prozesse unnötig kompliziert sind. Wo du dich oft wiederholst. Wo du zu viel Zeit verlierst.
Tausch dich mit Kollegen aus, von denen du weißt, dass sie gut aufgestellt sind und lass dich durch Profis unterstützen.
Ganz wichtig: Digitalisierung ist Chefsache. Du musst nicht alles selbst umsetzen, aber du solltest die Grundzüge verstehen und die Prozesse mitentwickeln.
Mach Digitalisierung zu deinem Werkzeug – nicht zu deinem Gegner.
Digitalisierung ist keine Technikfrage. Sie ist eine Frage der Haltung. Sie beginnt mit dem Willen, sich selbst und sein Unternehmen zu verändern. Wenn du diesen Weg gehst, wirst du feststellen: Du wirst nicht nur produktiver – du gewinnst Lebensqualität, bindest deine Kunden, erhöhst deinen Umsatz und wirst attraktiver für Mitarbeiter und Versicherer. Denn: Wer heute digitalisiert, gestaltet morgen den Markt. Wer es nicht tut, wird vom Markt gestaltet.
Oder wie meine alte Führungskraft immer sagte “wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit”.
Zum nächsten Artikel dieser Reihe: Digitalisierung gegen Fachkräftemangel
Titelbild: © Johann Gräbner