Ich lerne: Merz ist jetzt im Herbst – genauer gesagt: im Herbst der Reformen. Fritzi M. – aus Dickes B. – hat eine ganz neue Idee: Freiheit am besten per Pflichtverordnung. Ich nenne es: „Freiwilliges Pflichtnachsitzen mit Kapitalwahlrecht.“
Denn wer nicht freiwillig spart, soll nun verpflichtet werden, sich selbst zu retten. Das klingt nach marktwirtschaftlicher Pädagogik – hin zum Investmentzwang.
Merz’ Plan ist kein Finanzinstrument, sondern eine politische Nachhilfestunde in Verantwortung: Ein Volk, das sich selbst finanzieren soll, ohne gemeinsam reich zu werden.
Oder, wie mein ehemaliger Erzieher Pater Pius im Klosterinternat Weiden / Opf. immer sagte: „Wir studieren alle freiwillig noch eine halbe Stunde länger.“ Damals Latein, heute halt Altersvermögensaufbau.
Friedrich Merz, der ehemalige BlackRock-Mann, müsste es besser wissen:
Rendite entsteht nicht durch Dekrete.
10, 20 oder gar 50 Euro im Monat sind NOCH kein Investment, sondern ein symbolischer Ablasshandel gegen Altersarmut. Selbst bei 6 Prozent Rendite (nach Kosten) reicht das 2087 wohl mal ebenso für den Cyber-Matcha-Latte im Holo-Altersheim.
Naja, Mathe war scheinbar noch nie die Lieblingsdisziplin deutscher Politik, wohl auch nicht bei so manchem ehemaligen KAG-Vorstand. Ob der Fritzi Zinseszins-Diagramm malen kann? Zur Not auch nach Zahlen? Hmmm…
Die Sozialverbände toben, die Versicherungswirtschaft jubelt. Und ich, übrigens Versicherungsmakler, sage: Ja! Irgendwie schräg – aber JA!
Wer die Medizin nicht mag, soll eben die Krankheit probieren. Nur: Bitterer Sparzwang wirkt nun mal besser als kitschig-süße Altersarmuts-Romantik am Autoreifen-Lagerfeuer.
Quo vadis, Vater Staat?
Wer die Menschen jahrzehntelang von Finanzbildung ferngehalten hat, muss sie am Ende eben zum Glück zwingen. Manchmal muss man das Pferd zur Tränke peitschen, sonst verdurstet’s auf dem Weg zur Renteninformation.
Das neue Credo der sozialen Marktwirtschaft lautet wohl: Freiheit ist, wenn du wählen darfst, wie genau du gezwungen wirst, zu sparen.
Außerdem hält der Kanzler so sein Wahlversprechen:
- keine Beitragserhöhung und
- Rentenalter bleibt bei 67.
Naja, wenigstens etwas. Oder, wie es im Kleingedruckten steht: „Ein Beitrag zur eigenen Altersvorsorge.“ Semantische Gymnastik vom Feinsten: Eine Sozialabgabe, die keine sein darf, weil sie zu ehrlich wäre.
Und während Kanzler Merz seinen dritten Frühling im Herbst der Reformen erlebt, dürfen wir zusehen, wie er die Rente in ein politisches Nachhilfefach verwandelt: Pflichtfach Kapitalismus, benotet in Renditepunkten.
Ich warne, leicht fröstelnd:
Winter is coming!
Post Scriptum
Tunc studium “voluntarium” verum effectum habebat – ora et labora.
Im ersten Teil von Le Bonmot ging es um Kündigungsschreiben, HB-Männchen-Momente und die Rolle des Maklers.
Titelbild: © Alexey Testov
Danke, es war mir eine Ehre!