Beamte genießen mit ihrer Kombination aus Beihilfe und privater Restkostenversicherung vermeintlich einen erstklassigen Gesundheitsschutz. Ob mit 50 % Beihilfeanspruch für aktive Beamte oder 70 % für Versorgungsempfänger und Beamte mit mehreren Kindern – auf dem Papier scheint die Versorgung lückenlos. Die Realität offenbart jedoch ein anderes Bild: Zahlreiche Beamte sind trotz vermeintlicher Vollversicherung faktisch unterversichert und werden mit dieser unangenehmen Wahrheit oft erst im Leistungsfall konfrontiert – wenn plötzlich hohe Eigenanteile zu tragen sind.
Dieser Beitrag untersucht die versteckten Lücken im Beihilfesystem und erläutert, warum ein durchdachter Beihilfeergänzungstarif nicht als optionale Zusatzleistung, sondern als essenzieller Bestandteil einer umfassenden Gesundheitsvorsorge für Beamte betrachtet werden sollte.
Die Beihilfe: Verschiedene Sätze, ähnliche Probleme
Das Beihilfesystem bietet je nach persönlicher Situation unterschiedliche Erstattungssätze:
- 50 % für aktive Beamte ohne Kinder
- 70 % für Beamte mit mindestens zwei Kindern
- 70 % für Versorgungsempfänger (Pensionäre)
- 70 % für Ehepartner von Beamten (einkommensabhängig)
- 80 % für Kinder von Beamten
Diese Beihilfesätze suggerieren eine großzügige Absicherung – besonders in Kombination mit einer privaten Restkostenversicherung, die theoretisch die verbleibenden 50 % bzw. 30 % abdeckt. Doch in der Praxis wirken zahlreiche Einschränkungen, Höchstbeträge und Ausschlüsse, die die tatsächliche Erstattung deutlich unter den angenommenen Wert drücken können – sowohl bei 50 % als auch bei 70 % Beihilfeanspruch.
Die unterschätzten Versorgungslücken in der Beihilfe
Zahnversorgung: Kostspielige Überraschungen
Der zahnmedizinische Bereich offenbart besonders deutliche Erstattungslücken. Bei zahntechnischen Leistungen und Materialkosten für Zahnersatz sind grundsätzlich nur 60 % der Gesamtkosten beihilfefähig. Das bedeutet:
- Bei 70 % Beihilfeanspruch werden effektiv nur 42 % (70 % von 60 %) dieser Kosten durch die Beihilfe erstattet
- Bei 50 % Beihilfeanspruch reduziert sich dieser Wert auf lediglich 30 % (50 % von 60 %)
Für Beamte auf Widerruf ist die Lage noch kritischer: Während des Vorbereitungsdienstes sind prothetische Leistungen, Inlays, Zahnkronen und implantologische Leistungen generell nicht beihilfefähig – unabhängig vom individuellen Beihilfesatz.
Hilfsmittel: Wenn Höchstbeträge die Realität verfehlen
Beihilfevorschriften setzen strikte Höchstgrenzen, die selten den tatsächlichen Marktpreisen für hochwertige Produkte entsprechen:
- Hörgeräte: max. 1.500 Euro je Ohr
- Sehhilfen: stark begrenzte Erstattungshöchstgrenzen
- Perücken: bis zu 1.200 Euro (für Erwachsene)
- Orthopädische Einlagen: häufig unterhalb marktüblicher Kosten
Diese Grenzen gelten unabhängig vom Beihilfesatz – Beamte mit 50 % Beihilfe sind hier besonders stark betroffen.
Psychotherapie: Hürden jenseits der finanziellen Erstattung
Psychotherapeutische Leistungen sind antragsgebunden: Nach maximal fünf Probesitzungen muss ein Antrag auf weitere Behandlung gestellt werden. Diese bürokratischen Hürden können die Therapie verzögern – besonders in akuten Fällen.
Rechenbeispiele: Die finanzielle Realität hinter der Theorie
Beispiel 1: Zahnersatzbehandlung
1.1 - 70 % Beihilfe
Gesamtkosten: 3.600 € (zwei Inlays, zwei Goldkronen)
- Theoretische Erstattung: 2.520 € (Beihilfe) + 1.080 € (PKV) = 0 € Eigenanteil
- Tatsächliche Erstattung: 1.512 € (Beihilfe) + 1.080 € (PKV) → 1.008 € Eigenanteil
1.2 – 50 % Beihilfe
- Theoretisch: 1.800 € + 1.800 € = 0 €
- Tatsächlich: 1.080 € (Beihilfe) + 1.800 € (PKV) → 720 € Eigenanteil
Beispiel 2: Hörgeräteversorgung
2.2 – 70 % Beihilfe
Kosten: 5.000 € (2 × 2.500 €)
- Beihilfe: gedeckelt auf 3.000 €
- PKV: 1.500 €
- Eigenanteil: 500 €
2.2 – 50 % Beihilfe
- Beihilfe: 3.000 €
- PKV: 2.500 €
- Eigenanteil: 0 €
Beispiel 3: Krankenhaus mit Wahlleistungen
3.1 – 70 % Beihilfe
10 Tage, 150 €/Tag Einzelzimmer + 2.000 € Chefarzt → Gesamtkosten: 4.500 €
- Anerkennung durch Beihilfe: 40 % → 1.800 €
- PKV: 1.350 €
- Eigenanteil: 1.350 €
3.2 – 50 % Beihilfe
- Beihilfe: 1.800 €
- PKV: 2.250 €
- Eigenanteil: 450 €
Beispiel 4: Gleitsichtbrille
4.1 – 70 % Beihilfe
Kosten: 1.200 €
- Beihilfe (max. 150 €): 105 €
- PKV: 360 €
- Eigenanteil: 735 €
4.2 – 50 % Beihilfe
- Beihilfe (max. 150 €): 75 €
- PKV: 600 €
- Eigenanteil: 525 €
Die Lösung: Ein leistungsstarker Beihilfeergänzungstarif
Ein durchdachter Ergänzungstarif schließt die dargestellten Lücken zuverlässig und sollte folgende Leistungen abdecken:
- Zahnversorgung
- Vollständige Erstattung hochwertiger Zahnbehandlungen
- Ausgleich von Differenzen zur Beihilfefähigkeit
- Hilfsmittelversorgung
- Übernahme über die Beihilfehöchstbeträge hinaus
- Kein Eigenanteil bei Hörgeräten oder Sehhilfen
- Stationäre Wahlleistungen
- Chefarztbehandlung und Ein-/Zweibettzimmer
- Zusätzliche Leistungen
- Kurtagegeld, Auslandskrankenversicherung, Heilpraktikerleistungen
Kostenvergleich: Mit oder ohne Ergänzungstarif
Ohne Ergänzungstarif – 70 % Beihilfe:
Gesamter Eigenanteil: 3.593 €
Ohne Ergänzungstarif – 50 % Beihilfe:
Gesamter Eigenanteil: 1.695 €
Mit Ergänzungstarif:
Eigenanteil in allen Fällen: 0 €
Kosten: 10–60 € monatlich → bereits bei einer größeren Behandlung wirtschaftlich sinnvoll.
Besondere Relevanz für Beamte mit 50 % Beihilfeanspruch
- Höhere PKV-Grundbeiträge
→ da 50 % der Kosten privat abzusichern sind - Eigenanteile: absolut gesehen oft geringer – aber spürbar
→ PKV übernimmt mehr, aber Restlast bleibt - Höchstbeträge unabhängig vom Beihilfesatz
→ Ergänzungstarif besonders wichtig bei 50 % - Langfristige Perspektive
→ Frühzeitiger Abschluss sichert niedrige Beiträge auch im Ruhestand
Kein Luxus – sondern notwendige Absicherung
Die Analyse zeigt klar: Die Kombination aus Beihilfe und PKV bietet keinen lückenlosen Schutz. Ein hochwertiger Beihilfeergänzungstarif ist unverzichtbar, um finanzielle Belastungen zu vermeiden – sowohl für Beamte mit 50 % als auch mit 70 % Beihilfeanspruch.
Empfehlung: Prüfen Sie Ihren Versicherungsschutz kritisch und gleichen Sie Versorgungslücken gezielt durch einen leistungsfähigen Ergänzungstarif aus. Besonders junge Beamte profitieren doppelt: von günstigen Beiträgen und lückenlosem Schutz – auch bei späteren gesundheitlichen Einschränkungen.
Denn am Ende zählt eines: Die Sicherheit, im Ernstfall auf bestmögliche Versorgung zurückgreifen zu können – ohne finanzielle Sorgen.
Ein guter Ergänzungstarif kann viele finanzielle Lücken schließen – aber wie sieht es bei besonders kostenintensiven Gesundheitsleistungen wie Kuren und Rehabilitationsmaßnahmen aus? Welche Leistungen deckt die Beihilfe hier wirklich ab, und wo entstehen versteckte Kostenfallen?
Diese Fragen werden im nächsten Beitrag geklärt, der sich ausführlich mit der Absicherung von Kur- und Reha-Leistungen für Beamte in der PKV beschäftigt.
Titelbild: © Frank Bender