Beamte in Deutschland verfügen traditionell über ein bewährtes System für ihre Krankenversicherung: die Kombination aus individueller Beihilfe und Privater Krankenversicherung (PKV). Doch mit der Einführung der Pauschalen Beihilfe – bekannt als das „Hamburger Modell“ – kam 2018 ein echter Gamechanger ins Spiel. Die Idee: Beamten, die sich freiwillig in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) absichern wollen, finanziell unter die Arme zu greifen. Was wie ein fairer Deal klingt, hat jedoch seine Tücken. Dieser Beitrag zeigt auf, wo die Fallstricke liegen und warum das Modell nicht nur Vorteile mit sich bringt.
Die Geburt des Hamburger Modells – ein Trend macht Schule
Am 1. August 2018 war Hamburg Vorreiter: Als erstes Bundesland führte es die Pauschale Beihilfe ein. Hintergrund war der Wunsch, Beamte in der GKV finanziell zu entlasten, denn bis dahin mussten sie die vollen Beiträge allein stemmen. Das neue Modell sollte Abhilfe schaffen, indem der Dienstherr einen Zuschuss gewährt – ganz gleich, ob der Beamte privat oder gesetzlich versichert ist.
Die Idee verbreitete sich schnell: Berlin, Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen zogen nach. Der damalige Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel lobte die Reform als „ein Stück Wahlfreiheit und Gerechtigkeit“. Doch was steckt wirklich dahinter?
Zwei Systeme, zwei Welten – Wie funktioniert die Pauschale Beihilfe?
Die klassische individuelle Beihilfe und das Hamburger Modell könnten kaum unterschiedlicher sein:
Pauschale Beihilfe:
- Beamte erhalten 50 % Zuschuss zu ihren Versicherungsbeiträgen – egal ob GKV oder PKV.
- Die Abrechnung erfolgt pauschal, ohne dass einzelne Rechnungen eingereicht werden müssen.
- Wer sich einmal dafür entscheidet, kann nie wieder zur individuellen Beihilfe zurückkehren.
- Der Zuschuss ist bei der PKV auf den Basistarif gedeckelt.
Individuelle Beihilfe:
- Deckt einen festgelegten Prozentsatz der tatsächlichen Krankheitskosten.
- Rechnungen müssen eingereicht werden, um anteilige Erstattung zu erhalten.
- Im Ruhestand steigt der Beihilfesatz in der Regel auf 70 %.
- Für den Rest sorgt eine ergänzende PKV.
Das klingt nach einer Wahlmöglichkeit – aber ist sie das wirklich?
Die großen Haken des Hamburger Modells
- Einmal entschieden, nie wieder zurück: Das wohl größte Problem: Die Wahl ist unwiderruflich. Wer sich jung und vielleicht noch etwas unerfahren für die Pauschale Beihilfe entscheidet, kann später nicht mehr zur individuellen Beihilfe wechseln. Ein echtes Risiko, denn Lebensumstände ändern sich – ebenso wie gesundheitliche und finanzielle Situationen.
- Hohe Kosten in der GKV: Auf den ersten Blick mag die GKV-Option attraktiv erscheinen, doch langfristig können die Kosten explodieren. Die Beiträge steigen mit dem Einkommen – bis zur Beitragsbemessungsgrenze. In der PKV hingegen bleiben früh vereinbarte Tarife oft stabil. Viele Beamte zahlen mit der Pauschalen Beihilfe über die Jahre hinweg deutlich mehr.
- Weniger Leistung, mehr Eigenverantwortung: Die GKV ist solide – aber eben nicht die PKV. Wer Wert auf Chefarztbehandlung, bessere Zahnleistungen oder alternative Heilmethoden legt, schaut mit der GKV oft in die Röhre. Gerade im Alter kann das zum Problem werden.
- Ein Flickenteppich aus Regeln: Nicht jedes Bundesland hat das Hamburger Modell eingeführt. Wer umzieht, muss möglicherweise den vollen GKV-Beitrag zahlen oder komplizierte Wechselprozesse durchlaufen. Das stellt ein echtes Mobilitätshindernis für Beamte dar.
- Teuer für den Steuerzahler: Die Kosten für die Pauschale Beihilfe sind enorm. Baden-Württemberg schätzte für 2020 zusätzliche Ausgaben von 13,8 Millionen Euro – mit steigender Tendenz. Angesichts knapper öffentlicher Mittel ist das eine große Belastung.
- Der öffentliche Dienst verliert an Attraktivität: Ein entscheidender Vorteil des Beamtenstatus ist die Beihilfe in Kombination mit der PKV. Schwächt man dieses System, könnte der öffentliche Dienst im Wettbewerb um Talente weiter ins Hintertreffen geraten.
- Juristisch auf wackligen Beinen: Experten sehen mögliche verfassungsrechtliche Probleme. Das Grundgesetz schreibt die besondere Fürsorgepflicht des Staates gegenüber Beamten vor. Die Pauschale Beihilfe, die keine direkte Erstattung der Krankheitskosten bietet, könnte diesen Grundsatz aushöhlen.
Gibt es auch Vorteile?
Ja, aber sie sind für die meisten Beamten nur bedingt relevant:
- Erleichterung für chronisch Kranke: Wer wegen Vorerkrankungen keine günstige PKV bekommt, kann in der GKV besser fahren.
- Familienversicherung: Beamte mit mehreren nicht berufstätigen Familienmitgliedern profitieren von der beitragsfreien Mitversicherung in der GKV.
- Weniger Verwaltungsaufwand: Keine Einzelabrechnungen mehr – ein Punkt, der die GKV attraktiv machen kann.
Wahlfreiheit oder Einbahnstraße?
Das Hamburger Modell wird oft als Fortschritt verkauft, doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Die Nachteile sind enorm. Gerade junge Beamte laufen Gefahr, eine folgenschwere Entscheidung zu treffen, die sie ein Leben lang begleitet. Statt echter Wahlfreiheit entsteht eine „Einmal-und-nie-wieder“-Situation, die kaum Spielraum für spätere Anpassungen lässt.
Eine Lösung? Eine Reform, die einen späteren Wechsel ermöglicht, eine bundeseinheitliche Regelung schafft und die Nachteile der Pauschalen Beihilfe minimiert. Denn Wahlfreiheit ist nur dann etwas wert, wenn sie echte Alternativen bietet – und nicht zur Sackgasse wird.
Doch was passiert, wenn man sich nicht für die gesetzliche Krankenkasse entscheidet, sondern beim klassischen Beihilfesystem bleibt – und dort auf Versorgungslücken trifft? Welche Risiken bestehen trotz Beihilfe und PKV, und wie lassen sie sich sinnvoll absichern? Diese Fragen werden im nächsten Beitrag beantwortet, in dem es um die Bedeutung und Notwendigkeit eines hochwertigen Beihilfeergänzungstarifs für Beamte geht.
Titelbild: © Frank Bender
Lieber Herr Bender,
ich möchte Ihren Beitrag um einige, wie ich finde, wichtige Informationen ergänzen. Die Pauschale Beihilfe (PB) gilt ebenso in Baden-Württemberg. Also in zusammen nun 9 Bundesländern. Die Regierungen in NRW und MV haben sich in ihren jeweiligen Koalitionsverträgen auch auf die Einführung der PB geeinigt – da wird also auf Sicht auch die PB gelten. Der Zuschuss der PB beträgt nur für GKV-Versicherte 50%. Bei PKV-Versicherten gilt als erste Grenze der Beitragsanteil, der auf die GKV-Leistungen entfällt. Die zweite Grenze ist dann der halbe Basistarif. Also erhält der PKV-Versicherte mit PB schon etwas weniger als 50%. Und dann ist die PB zwar grundsätzlich unwiderruflich. Es gibt jedoch ein „Schlupfloch“ für Beamtenanwärter. Diese können sich nämlich bei der Verbeamtung auf Probe wieder für oder gegen die PB entscheiden. Man kann die PB auch als Chance für die Kunden sehen: zwar erhält man, wie gesagt, nicht ganz den hälftigen Beitragszuschuss zu einer 100%-PKV – jedoch hat man dann nur eine Abrechnungsstelle: eben seine PKV. Bei der individuellen Beihilfe ist ja auch noch die Beihilfestelle mit im Spiel – und diese sind oft mehr als langsam bei der Kostenerstattung. Einer der größten Nachteile der PB in Kombination mit der GKV ist, dass Beamte im Alter immer freiwillige Mitglieder der GKV sind und daher auf alle Einkünfte Beitrag zahlen müssen.
Freundliche Grüße
Marco Sagemann
Lieber Herr Sagemann,
vielen Dank für Ihre hilfreichen Ergänzungen und Ihre engagierte Beteiligung an der Diskussion. Frank Bender ist informiert und wird sich nach Pfingsten bei Ihnen melden.
Liebe Grüße
Lara (Redaktionsleitung)
Lieber Herr Sagemann,
wir haben von Frank Bender folgende Antwort erhalten:
Herzlichen Dank für Ihren Kommentar und die Zeit, die Sie sich genommen haben, um Ihr Fachwissen zu teilen. Das ist eine wirklich tolle und willkommene Ergänzung für die Diskussion hier!
Sie haben absolut recht, die von Ihnen genannten Punkte sind entscheidend für ein vollständiges Bild der Pauschalen Beihilfe. Gerade die Details zur Berechnung bei PKV-Versicherten und das wichtige „Schlupfloch“ für Anwärter sind Aspekte, die in der Praxis oft den Unterschied machen. Ihre klare Gegenüberstellung des Vorteils (nur eine Abrechnungsstelle) und des Nachteils (Beitragslast im Alter in der GKV) ist ebenfalls sehr treffend.
Es ist immer eine große Bereicherung, von Lesern mit so fundiertem Wissen zu profitieren. Vielen Dank, dass Sie diese wichtigen Aspekte in die Diskussion eingebracht haben!
Herzliche Grüße,
Frank Bender